Mein High School Jahr in Südamerika

Argentinien? Ich kann nicht behaupten, dass ich gar nichts über dieses Land wusste, aber das erste, was ich auf dem Weg vom Flughafen zu meiner Gastfamilie sah, waren Slums. Ich wusste natürlich, dass es Slums gab, aber so was in echt, das konnte ich mir bis dahin echt nicht vorstellen.

Bei meiner Gastfamilie angekommen kam dann das Mittagessen auf den Tisch: eine Auflaufform mit einer komischen, braunen Masse. Da fragte ich mich endgültig, wo ich hier gelandet war. Doch wie vieles andere stellte sich alles auf den zweiten oder dritten Blick als gar nicht so schlecht raus. Das Essen ist heute tatsächlich mein Lieblingsessen und ich koche es ab und zu für meine deutsche Familie. Im ersten Moment jedoch versuchte ich meiner Gastmutter beizubringen, dass ich nicht sehr viel von dem Essen wollte, was sich allerdings als recht schwierig herausstellte, da ich zwar Spanisch sprach aber dank meiner ‚europäischen‘ Aussprache eher mitleidige Blicke als viel Verständnis erntete. (Heute muss ich zugeben: Das klingt wirklich komisch, wenn die Spanier sprechen!).

Doch das war nicht das einzige Problem, was ich am Anfang hatte: Ich wollte nicht, dass meine Gasteltern mich die ganze Zeit durch die Gegend fahren müssen, also wollte ich Bus fahren. Ich hatte Glück, dass ich in Mendoza wohnte, dort gibt es genügend öffentliche Verkehrsmittel, da es sich um eine argentinische Großstadt handelt. (Ich schreibe argentinische Großstadt, weil diese Stadt in Deutschland vermutlich zu klein wäre für eine Großstadt.) Als erstes musste ich feststellen, dass es hier jede Menge Busse, aber keine Fahrpläne gab. Auch das schien mir am Anfang total unverständlich, allerdings bekam ich schnell heraus dass die Busse stattdessen mit Frequenzen fahren – es kommt also z.B. etwa alle halbe Stunde ein Bus. Das nächste Rätsel stellte für mich die Führung des Straßenverkehrs in der Innenstadt dar – der Verkehr floss meist nur in eine Richtung, aber ich sah nirgendwo Einbahnstraßenschilder. Später entdeckte ich, dass neben dem Straßennamen auf den Schildern auch ein Pfeil abgebildet ist, der die Fahrtrichtung anzeigt.

Was ich damit sagen möchte? Bestimmt nicht, dass ich mein ganzes Jahr in Bussen verbracht habe – es geht mir um die vielen kleinen Unterschiede, von denen ich hunderte Aufzählen könnte; kleine oder große; die mir gezeigt haben, dass ich nicht mehr in Deutschland bin und die mir heute hier fehlen. Ich habe zum Beispiel sehr unter der Kälte der Deutschen gelitten, als ich wiederkam. Nicht nur, weil ich gewohnt war, dass ich umarmt und geknuddelt wurde wenn ich mal nicht glücklich war, sondern auch weil mir das Begrüßungsküsschen fehlte. Außerdem sind die Menschen dort viel offener und herzlicher – nicht nur die Menschen in der Straße, sondern auch meine Klassenkameraden und meine Gastfamilien (ich hatte mehrere). Überall wo ich hinkam, sei es meine Schule oder meine Gastfamilien, wurde ich herzlich aufgenommen und man kümmerte sich gut um mich. Der größte Unterschied zwischen Deutschland und Argentinien ist vermutlich, dass die Eltern dort viel fürsorglicher und schneller besorgt sind als hier. Sie mussten immer wissen wo ich mich aufhielt, und ich durfte niemals auch nur 2 Minuten später nachhause kommen als ich gesagt hatte. Vermutlich kommt jetzt die Aussage, die die meisten nicht glauben werden, aber es hat mir tatsächlich hinterher hier gefehlt, dass sich jemand so gut um mich kümmert.

Ein anderes gutes Beispiel ist hier meine vierte Gastmutter, die besonders fürsorglich ist. Als sie einmal hörte, wie ich tagsüber auf einer Familienfeier sagte, dass ich mich langsam wieder auf zuhause freute (das Ganze war drei Wochen vor Abflug), setze sie sich abends zu mir ans Bett und knuddelte und umarmte mich; sie wollte nicht dass ich traurig war und Heimweh hatte, wenn ich einschlafe. Wenn ich an solche Szenen heute zurückdenke, kommen mir fast die Tränen, denn seit ich dort war, ist das Fernweh mein ständiger Begleiter.

Doch nicht nur meine Familien und Freunde fehlen mir, auch die Schule, die dort so erfrischend anders war, und die Leute die ich dort bei meinen Hobbys kennen gelernt hatte.

Kathrin G.